( XII )
Um einen Ort zum Labyrinth zu machen, bedarf es keiner Hecken, Mauern oder Tunnel. Willst du vom Irrgarten erzählen, so mache deinen Bericht zum Labyrinth (J. L. Borges, irgendwo, sinngemäß). Allah hat die Wüste erstens später als die Menschenwelt geschaffen, und zweitens nicht für diese. Drittens hat er sie sich selbst zugedacht, um darin »ungestört lustwandeln« zu können. Sie ist durchaus nicht lebensfeindlich. Größtenteils bietet sie genug von dem, was der Mensch und seine Tiere brauchen. Aber weil sie davon meist nur ein Minimum gewährt,
schärft sie die Sinne, und weckt die Lebenskraft zu ihrer ursprünglichen Klarheit auf. Die Semiten nennen sie sogar midbar, was heißt: die Herde zur Weide führen.
Ein Merkmal des Labyrinthischen ist der Kreisgang, das unbewusst mäandrische Reisen, das zur Herkunft führt: und zum Schock beim Erkennen der eigenen Spur. Das steigert die Achtsamkeit. Die Orientierung soll nicht noch einmal verloren gehen, der äußere soll dem inneren Plan wieder vergleichbar sein.
Auch ist die Wüste durchaus nicht ohne Struktur. Was zunächst als Monotonie erscheint, ist klar gegliedert, hier im südlichen Erg Oriental mit einer Abfolge von Sandrücken, die flächige Rundfelder umsäumen. Aus der Ferne wirkt jedes wie ein üppig begrüntes Oval, die Nähe reißt es auseinander zu einer schütteren Schraffur aus blassem Olivgelb, oder fahler Reseda.
Die Eigenart jeder Senke tritt erst hervor, wenn die Wegrichtung zweifelhaft geworden ist, wenn dunstig graue Himmel die Landmarken verhüllen – die fernen Berge und Kuppen. Dann prägt sich der kleine Unterschied ein: wie hier eine Baumgruppe sich unter den östlich höheren Dünen wegduckt; wie dort sich nur kniehohe Büschel reihen; wie nach dem nächsten Kamm eine Kette länglicher Felder folgt, wo der Boden so sauber gefegt ist und felsenplatt, dass man erschrickt vor der gesteigerten Nacktheit; wie schließlich, am Abend, eine Geröllschleife den Dünenkreis umsäumt.
Ich präge mir alles so genau wie möglich ein, für den Fall, dass wir allein zurückfinden müssen. So wird die Angst, oder die Voraussicht, zum sichersten Ariadnefaden.
Eine fahle Sonne hatte uns heute durch den Tag begleitet – früh im Rücken, mittags uns überholend, nachmittags vor uns wegsinkend. Stumpf-stählernes Licht. Der Sand nicht gelb, sondern weißlich, wie schlecht gebleicht. Eff und Emm entluden gerade die Kamele, als sie hoch in den Himmel schauten, und gleichzeitig zu lachen anfingen zum ersten Mal. Wir standen da, und konnten nichts erkennen über uns. Da spürte ich, wie die Haut auf dem Handrücken zerplatzt, schmerzlos und spurlos. Der Boden war dunkel gesprenkelt, als würde etwas durch ihn hindurch nach oben drängen. Ela rief: "Ach deshalb." Nun fielen uns die Tropfen ins Gesicht, dick und selten. Über dem Sand ein Zischen. Dann wurde es düster, eine diesige Nähe umgab alle Körper, der Regen verdunstete, bevor er uns erreichen konnte.
Sturer Nordwind nachts. Der dringt durch jede Ritze an die Haut. Das Ziegenhaarzelt war diesmal wohl die falsche Wahl. Aufbruch früher als sonst.
Noch ein Ort, der unauffindbar bleiben wird. |
|
WEITER
mit vielen Worten
und kleinen Bildern
|
RÜBER
zu großen Bildern
& wenig Worten
|
ZURÜCK
nur einen Schritt
in der
Geschichte
|
|